Ich unterbrach eben mal meinen Marathon, alle Spiele die ich besitze noch einmal durchzuspielen und blickte erstaunt auf den Fernseher hinter mir:
Killerspiele!
Mit hämischem Blick auf alle Counterstriker hielt ich kurz inne und es stellte sich mir die bange Frage:
"Was, wenn die herausfinden, dass irgendein Amokläufer einmal WoW gespielt hat...?"
Ding!
Es ist wieder so weit.
Irgendein geistesgestörtes Individuum begeht eine abscheuliche Tat und die Suche nach den Schuldigen läuft auf Hochtouren, da gibts natürlich ein paar ganz ordentliche Prügelknaben - vergessen wir doch einen kurzen Augenblick die wissenschaftliche Beweisbarkeit durch Studien und diesen ganzen Hochschulquatsch.
Nachdem sich die Politik schon so erfolgreich mit anderen Themen dieser Art (wie "Alkopops" und
dutzende andere erzieherische Maßnahmen) befasst hat, dürfte das hier ein Spaziergang werden.
"Kann denn nicht einer mal an die Kinder denken?"...
Ist schon ein witziges Land:
Mit 18 musste ich noch einen Text verfassen, warum ich es ablehne an der Waffe ausgebildet zu werden
(und mich nach vorne beugen und husten, aber das ist eine andere Geschichte) und mit 26 sitz ich hier nun und höre meine besorgten Staatslenker über Gewalt reden, eben jene Leute die mir vor 8 Jahren offizielle Schreiben ins Haus geschickt haben, ich dürfte zwar zur normalen Infanterie aber nicht zu den Sanitätern, weil ich nicht so schwer tragen dürfte, mit Knarren hantieren für den kriegerischen Ernstfall und mich totschießen lassen, sei aber OK.
Aber zurück zu Killer-Computerspielen!
Natürlich gibt es eine Menge Lösungsvorschläge an das Problem Killerspiel heranzugehen.
Da liest man teilweise abstruse Vorschläge:
1) - Ganztagsschulen
Als Grund dafür nannte ein Kriminologe den Kindern, die Zeit zum Spielen wegzunehmen.
Da fallen mir noch mehr Techniken ein, dieses Ziel zu erreichen, ich plädiere für 24 Std. Videoüberwachung aller Kinder, so wie es in einigen Kindergärten der USA schon Realität geworden ist.
Eine andere Idee wäre es, die Kinder nach der Schule in einen Wandschrank zu sperren (die Größe des Wandschrankes sollte der Gesetzgeber festlegen).
Schulschwänzer sollten dann behandelt werden, wie potentielle Amokläufer:
Niemand weiß, was sie in der Freizeit überhaupt gemacht haben, vielleicht haben die ja Killerspiele gespielt, da sollte man präventiv wegsperren.
Kann denn nicht einer mal an die Kinder denken?
2) - Verbot
Killerspiele sollen nach den Gesetzesvorstellungen einiger Politiker richtig verboten werden.
So wie Drogen.
Oder Al-Kaida.
Ich zitiere:
"Er könne den wissenschaftlichen Streit darüber, ob die sogenannten "Killerspiele" langfristige Auswirkungen auf das Verhalten von Jugendlichen haben, nicht nachvollziehen. "Wir dürfen nicht warten, bis spektakuläre Einzelfälle von jugendlichen Amokläufern - wie 2002 in Erfurt - zu Opfern führen, sondern müssen präventiv handeln", betonte der Minister."
Also darf ich zusammenfassen:
"Wir haben keine Ahnung von der Sache, aber eine Meinung dazu."
Jawoll.
"Präventiv" ist hier das Stichwort.
Der zentrale Punkt dieser Diskussionen ist wohl, wovon Gewalt bei Jugendlichen verursacht wird.
Haben die Jugendlichen in Frankreich zuviel GTA gespielt, (oder die Feuerwehr?) oder der Gangsterboss im örtlichen Ghetto zuviel...
Ihr seht schon worauf ich hinauswill:
Das ist alles viel zu allgemein und ich werde da auch nicht näher drauf eingehen - sowas überlasse ich den Leuten die davon Ahnung haben, unabhängigen Wissenschaftlern - nicht den Politikern.
Wenn die herausfinden:
"Computerspiele verursachen maßgeblich Amokläufe. Dabei ist es egal woher denn eigentlich die Waffen kommen und ob die amoklaufende Person irgendwelche Schul/sozialen Probleme hatte" - dann müssen wir das akzeptieren.
Werden sie aber nicht.
Und dann dürfen Computerspiele auch nicht einfach als Sündenbock verboten werden.
Das schadet nicht nur einer Industrie, sondern auch der Glaubwürdigkeit politischer Argumentationen, zumindest in den Augen derer, die sich mit sowas beschäftigen.
Wo kämen wir denn da hin?
Der Aufschrei wäre groß, wenn man auf einmal die Dinge alle verbieten würde, bei denen das bewiesen ist, das sie einen schädlichen Einfluss haben:
Alkohol verbieten
("präventiv gegen Trunkenheitsunfälle")
Zigaretten verbieten
("präventiv gegen Steuereinnahmen Lungenkrebs")
Waffenbesitz verbieten
("präventiv gegen das Überleben bei einem Zombieangriff")
Den Irak präventiv angreifen verbieten
(Dieser Vergleich hinkt nicht nur, der hat gar keine Beine um sich fortzubewegen)
Ich stelle hier meine ganz private verrückte Theorie zur Diskussion:
"Gewalt ist multifaktoriell."
Ich weiß, total irrsinnig.
Vielleicht sollten wir ja doch einfach mal random andere Sachen verbieten von denen wird keine Ahnung haben.
Ich beispielsweise hab keine Ahnung von folgenden Punkten, die ich aber verdächtige, schädliche Einflüsse zu haben und fordere ein Verbot:
- Make Up
- Rapmusik
- Bankwesen
- mein Studienfach
- Teleshopping
- Menstruation
Obs was bringt, ja das sehen wir erst, wenn kein Amoklauf mehr auftritt, dieses Prinzip ist idiotensicher.
Sonst bitte ergänzen durch folgenden Punkte und erneut probieren:
- BWL Taktiken
- Hot Coffe Mods (ich hab mich informiert)
- Gurkensalat
- Künstler des 19.Jahrhunderts
- Liturgie in der Osterzeit
- Metrisches System
Aber mal ein wenig mehr Ernsthaftigkeit.
Wenn ich mich dazu entschließe diese "Killerspiele" (engl: "Killergames") zu verbieten, wie mach ich denn sowas?
Wer definiert überhaupt was ein Killerspiel ist?
Weiteres Zitat?
"S. erklärte, für welchen Bereich er wissenschaftliche Belege für eine solche Wirkung für überflüssig hält, etwa für "Spiele, in denen man Frauen verstümmeln kann"."
Sry, mir ist kein solches Spiel bekannt und ich hab am C64 schon Commando Lybia gespielt.
Oder das man in Counterstrike Schulmädchen erschießt.
Wenn das einige von euch für einen Witz gehalten haben...
"Am Montag behauptet die dpa, in dem Ego-Shooter (CS) gehe es darum, "so lange auf Polizisten, Schulmädchen und Passanten zu schießen, bis man selbst getötet wird". Und am Dienstag weiß die Rheinische Post über das Spiel zu berichten: "Das Mädchen trägt einen karierten Rock und eine weiße Bluse. Sie ist überrascht, als sich die Türe öffnet. Das letzte, was die Schülerin in ihrem Leben wahrnimmt, ist das Mündungsfeuer der Automatikwaffe [...] Ihre Bluse färbt sich rot - Ziel eliminiert.""
Keine Ahnung - aber eine Meinung.
Hier eine Liste einiger meiner ganz privaten Virtuellen Massaker in chronologischer Reihenfolge, nicht nur Egoshooter sind Killerspiele:
Sim City (ich hab früher dutzende Male Monster auf meine Stadt losgelassen)
Virtuell Chess (Völkermord durch das satanische Opfern von Bauern)
Eye of the Beholder II (Level 13 für meinen Dieb vor dem ersten Turm bedeutete den Tod hunderter)
Comanche (Arme Russen - war das ein Pixel oder ein Hind?)
Theme Park (schlechte Wartung nahm ich immer billigend in Kauf um die Kosten zu senken)
Defcon (das Killerspiel schlechthin!)
Aber wo waren wir gerade?
Ach, ja.
Killerspiele.
"Im Hamburger Abendblatt ist zu lesen, in Videospielen brächten abgeschossene Kinderwagen mit Großmüttern Extra-Punkte."
Also was ist jetzt mit WoW?
40 Amokläufer im Training?
Was ist wenn ich sage, das besiegen von Gegnern sei das Ziel in gut 80-90% aller Computerspiele?
Wird es da eine Lawine geben?
Eine Politikerin weiß Rat, was genau ein Killerspiel definiert:
"Jetzt muss man noch mal sagen, was ist der Kern eines Killerspiels? Das heißt, zerstöre alles bis auf dich selbst, und das ist schon eine Botschaft, die bedeutet, dass Gewalt hier eingeübt wird, imitiert wird"
Wir sehen echt alt aus, Leute.
Mission accomplished!
Bei WoW muss "zerstöre alles und dich selbst" natürlich entsprechend ergänzt werden, zumindest wenn man mit einer Wanderer-Qualitätstruppe durch die Lande zieht.
Da gibts einen breiten Streifen der Verwüstung und selbst unschuldige Kernriesengroßmütter fallen unserem Zorn zum Opfer - auf der Jagd nach den Extrapunkten.
Und nun?
Ich habe gut "1800 Ehrenhafte Siege" auf meinem Konto und 6 "Ruchlose Morde", vom Farmen möchte ich nicht sprechen ("Cenarius: Ehrfürchtig"), ich gehe 3 mal die Woche (Mo, Do, Fr - je nach privater Verfügbarkeit) auf Raids - das sind ja auch nur planmäßige Überfälle auf friedlich umherstehende Mobs.
Da wird der Gesetzgeber wohl keine Gnade finden können.
Bleibt nur zu hoffen, das irgendwer dem irgendwann einmal Einhalt gebieten wird.
Zukünftige Generationen werden es uns danken, das wir durch willkürliche Gesetze das geschafft haben, wovon die Menschheit seit langem träumt - was auch immer das sein mag.
Mfg
Dúrin
PS.
Vielleicht der Traum vom Fliegen?
PPS.
Sucht mal bei You-Tube nach "Frontal 21" oder "Killerspiele" - das ist Satire pur!
Beispiel gefällig?
http://www.youtube.com/watch?v=uJzZYbHFXQE
PPPS.
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24032/1.html
Ein Blick in die Welt eines Amokläufers - ließe sich eine derart gestörtes soziales Verhältnis durch "Killerspiele" auslösen? - mehr als fraglich.
Posted by Dúrin am 21.11.2006